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Ich habe WhatsApp gelöscht – Mein Fazit 1 Jahr später

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Es mag heutzutage scheinen, als käme man um WhatsApp nicht herum und müsse als digitaler Almödi leben, wenn man der App entsagen will. Ich habe es trotzdem getan und meinen Account gelöscht. Dabei sind erstaunliche Dinge ans Tageslicht gekommen.

Inhalt:

  1. Warum ich WhatsApp damals gelöscht habe
  2. Die Reaktionen
  3. Ein Backup der WhatsApp-Chats machen
  4. Das Löschen
  5. Fazit
  6. Was ich rückblickend anders machen würde

Wie durch einen Wink des Schicksals fiel mir gestern zufällig mein altes Tagebuch in die Hände. Sowas ist immer spannend: Wie war ich wohl noch vor einem Jahr? Also direkt den 18.01.2021 aufgeblättert und da stand es:

Kariertes Tagebuch wird neben einer Tasse Kaffee vor Tisch-Schmuck mit Kerzen und Edelsteinen hochgehalten. Die EInträge im Tagebuch erklären, dass WhatsApp endlich gelöscht ist.
Der entsprechende Ausschnitt aus meinem Journal beim morgendlichen Kaffee
  • Dankbar dafür, gestern WhatsApp gelöscht zu haben.
  • Ewig nach Lösung für WhatsApp-Backup gesucht. Am Ende sehr umständlichen Weg gefunden. -> Blogpost?

Nun, zum Blogpost kam es nie, aber ich bin so frei und nehme die Idee ein Jahr später wieder auf.

Warum ich WhatsApp damals gelöscht habe

Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon lange mit dem Gedanken gespielt, WhatsApp zu löschen: Zu viele unnötige Gruppen, belanglose Chats und ein generelles Unwohlsein, bei einem meiner Hauptkommunikationswege vom Gutdünken Facebooks abhängig zu sein. Doch der Nutzen überwog die Ängste stets und die FOMO hielt mich davon ab, wirklich etwas zu unternehmen. Bis zum Jahresanfang 2021. Ganz konkret hatte Facebook damals frische AGB veröffentlicht, die für mein Empfinden zu tief in die Privatsphäre eingreifen sollten. Das Inkrafttreten der AGB wurde, wenn ich mich richtig erinnere, noch einige Male verschoben und etwas aufgeweicht, aber da es mich danach nicht mehr tangierte, habe ich aus den Augen verloren, ob sie so wirklich umgesetzt wurde. Mir war nur klar: Irgendwann kommt es sowieso.

Ich erinnere mich aber, dass sich zu der Zeit auch in meinem Bekanntenkreis die Suche nach Alternativ-Messengern breit machte – irgendwie war es vielen doch unheimlich. Doch die Wenigsten sind gänzlich umgestiegen. Die Meisten nutzen nun verschiedene Messenger parallel. Meine Gründe, komplett mit WhatsApp zu brechen, legt wohl meine Goodbye-Nachricht, die ich an alle (wichtigen) Kontakte schickte, am besten dar:


Die Abschiedsnachricht



Moin! Da ich am nächsten Sonntag (17.01.2021) mein WhatsApp-Konto löschen werde, möchte ich mit dieser „Rundmail“ auflisten, wie man mich alternativ erreichen kann.

  1. Sichere Messenger (Threema, Wire, Signal (& Telegram))
  2. Der gute, alte Anruf
  3. privat per eMail an XXXXXXX (Für verschlüsselte Kommunikation ist mein PGP-Public-Key hier zu finden: XXXXXXX)
  4. geschäftlich per eMail an XXXXXXX

FAQ:
Q: Warum löschst Du WhatsApp?!!1!elf!?!
A: Aus verschiedenen Gründen. Zum einen hat WhatsApp eine AGB-Änderung beschlossen, die die Metadaten jedes WhatsApp-Kontos und den dazugehörigen Konversationen ab dem 08.02. mit den zugehörigen Facebook- und Instagram-Daten verbindet (https://www.whatsapp.com/legal/updates/privacy-policy-eea/?lang=de). Ich empfinde das als sehr bedenklichen Eingriff in meine Privatsphäre und möchte/kann dem nicht zustimmen. Damit bleibt mir nur, WhatsApp nicht weiterzunutzen. Die anderen Gründe hat Oskar Vitlif in seinem Artikel bereits letztes Jahr sehr schön in Worte gefasst: https://link.medium.com/G3X2ydGu2cb

Q: Ist das mit den Daten denn echt so schlimm, dass man WhatsApp gleich löschen muss?
A: Ja. Ab sofort werden eben nicht nur Deine (halb-)öffentlichen Machenschaften auf FB & Insta mit Dir verknüpft, sondern eben auch Deine private Kommunikation. Geneigte Leser*innen mögen sich mit diesem Artikel befassen und evtl. ein gewisses Unwohlsein verspüren: https://link.medium.com/i4AsAJZu2cb . Besonders die letzten paar Absätze machen verständlich, was Facebook laut den neuen AGB kann und darf.

Q: Bist Du jetzt ein Aluhut-tragender Verschwörungstheoretiker?
A: Nein. Und wer was anderes sagt, wird vom Rand der Erde geschubst.

Q: Du bist doch aber auch auf Instagram & Facebook! Ist das nicht ganz schön hypokritisch?
A: Ja, das stimmt. Allerdings benutze ich mittlerweile ein dediziertes Gerät, um auf FB & Insta zuzugreifen, welches mit keinem privaten Dienst verbunden ist.

Q: Könntest Du dann nicht auch das Gerät nehmen, um darauf WhatsApp laufen zu lassen?
A: Nein. Es geht ja nicht um WhatsApp als Dienst, sondern um die Verknüpfung von privaten Unterhaltungsdaten mit meinen Social-Media-Profilen.

Q: Sollte ich auch WhatsApp löschen?
A: Das musst Du selbst entscheiden. Die Vorteile von WhatsApp liegen auf der Hand und es ist absolut verständlich, sie nicht missen zu wollen. Sofern Du es nur privat nutzt und den Nutzen der Privatsphäre vorziehst, ist es eine legitime Entscheidung, bei WhatsApp zu bleiben. Falls Du aber mit Kunden oder anderweitig geschäftlich über WhatsApp kommunizierst, kann ich nur schwerst dazu raten, andere Kommunikationskanäle zu suchen. Am Ende schenkst Du Facebook einen sehr tiefen, permanenten und kostenlosen Einblick in Dein Privat- und Geschäftsleben, der im Zweifel gegen Dich und Deine Interessen eingesetzt wird.

So viel zu mir und meinen Plänen, WhatsApp den Rücken zuzukehren. Ich hoffe, ich konnte diese Entscheidung verständlich machen und freue mich, mit Dir/Euch auf anderen Plattformen weiter zu kommunizieren 😊

Liebe Grüße
Conrad

P.S.: solltest Du diese Nachricht erhalten haben und noch auf meine Antwort bezüglich etwas Anderen warten, dann sei Asche über mein Haupt gestreut! Ich werde mich bis spätestens Sonntag melden 🙌🏼

P.P.S: sorry for my only English speaking people. In short: I’ll delete my WhatsApp due to the new terms of service. You can reach me via the channels listed at the top of the message 👍


Die Reaktionen

Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass meine Abschiedsnachricht von den meisten unkommentiert zur Kenntnis genommen wird. Doch die überwiegende Mehrheit der Leute schrieb mir, dass sie meinen Schritt toll fänden und sich jetzt Telegram zugelegt hätten. Von daher ändere sich ja nicht viel. Allerdings gab es drei Reaktionen, die mich schmunzelnd und/oder kopfschüttelnd aufs Display schauen ließen:


Reaktion 1: Der „Spezialist“


Die betreffende Person war offensichtlich noch sehr viel informierter als ich: Es sei völlig bescheuert, auf andere Dienste zu wechseln, da man bei Signal gar nicht wisse, wer dahinterstünde, wo die Serverstandorte seien und wer mitlesen würde. Bei Facebook, bzw. WhatsApp, wüsste man das und es sei ja auch ein großes, vertrauenswürdiges Unternehmen und daher könne man meinen Schritt überhaupt nicht verstehen und sei ehrlich gesagt wütend, dass ich ihnen jetzt eine andere, folglich viel unsicherer Kommunikationsmethode aufzwingen würde.

Ich habe mir daraufhin gespart, zu erklären, wie das Signal-Protokoll und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, bzw. PGP funktionieren und was es bedeutet, wenn eine Software Open Source ist...

Reaktion 2: Die beleidigte Leberwurst



Diese Person sah es als persönlichen Angriff, mich bald nicht mehr auf WhatsApp anschreiben zu können: Man hielte es für sehr schade, dass ich mich zu diesem Schritt entschieden habe und man sähe nicht ein, sich extra für mich einen neuen Messenger zuzulegen. Das sei viel zu unübersichtlich und wenn ich mich denn so von der Person distanzieren wolle, dann müsse ich eben schauen, wie ich sie erreichen könne. Man habe die Konversationen hier stets geschätzt, aber sich einfach so unerreichbar zu machen, sei unerhört.

Ich hatte mit diesem Menschen in den letzten 3 Jahren genau fünfmal geschrieben und fand die Reaktion ein bisschen drüber. Als Antwort schrieb ich eine SMS: Man finde sicher einen Weg, im Notfall zu kommunizieren. Immerhin kam darauf eine SMS mit Daumen hoch zurück.

Reaktion 3: Der misstrauische Gläserne



Man könnte fast sagen, dass diese Person der hypothetische Klassiker einer jeder Datenschutz-Debatte ist. Ich bin bis heute erstaunt, dass es tatsächlich Menschen gibt, die so denken und agieren. Auf meine Nachricht bekam ich als Antwort, dass gar nicht verstanden würde, warum ich mich so aufrege und solch drastischen Schritte einleiten würde. Wer meine Daten wirklich haben wolle, könne sie auch ohne WhatsApp bekommen und wenn es so wichtig wäre, müsse man in der Konsequenz gleich ganz aus dem Internet aussteigen und in einer Hütte im Wald leben. Aber man müsse sich keine Sorgen machen, wenn man nichts zu verbergen habe. Nun sei natürlich die Frage, was ich zu verbergen hätte, da ich ja so dringend aussteigen wolle.

Auf diese Nachricht habe ich nicht mehr geantwortet. Ganz unzusammenhängend lasse ich mal dieses Zitat von Edward Snowden hier:

„Arguing that you don't care about the right to privacy because you have nothing to hide is no different than saying you don't care about free speech because you have nothing to say.“

„Zu argumentieren, dass Dir das Recht auf Privatsphäre egal ist, weil Du nichts zu verbergen hast, ist nichts anderes als zu sagen, dass Dir die Meinungsfreiheit egal ist, weil Du nichts zu sagen hast“.

Ein Backup der WhatsApp-Chats machen

Der rückblickend anstrengendste Teil des Ausstiegs: Das Backup. Denn auch wenn ich fortan WhatsApp nicht mehr nutzen wollte, waren mir die bisher geführten Unterhaltungen doch sehr ans Herz gewachsen. Und wer weiß, vielleicht braucht man sie ja doch noch einmal in der Zukunft... Bei Backups lebe ich nach der Devise: lieber haben als brauchen & kein Backup, kein Mitleid. Wer nun aber denkt, es sei einfach, die Konversationen inklusive geschickter Medien und Sprachnachrichten irgendwo herunterzuladen, den muss ich nun bitter enttäuschen:

Die meisten Backup-Optionen sahen vor, dass ein von WhatsApp selbst verschlüsseltes Backup in irgendwelchen versteckten Ordnern im iCloud-Drive abgelegt wird, das dann später nur wieder mit WhatsApp geöffnet werden konnte. Das war ganz offensichtlich nicht mein Ziel, denn WhatsApp sollte verschwinden – für immer. Zwar konnte ich mithilfe einiger Tutorials das Verzeichnis im iCloud-Drive lokalisieren und die Backup-Datei herunterladen, aber die Datei war verschlüsselt und der Schlüssel nirgends aufzutreiben. Nur die App hätte das Backup erneut entschlüsseln können. Es musste also eine Alternative her.

Da Screenshots nicht dazu taugten, Sprachnachrichten zu speichern, tauchte ich tief in die hinterletzten Menüs der App ab und fand, was ich suchte: Chats lassen sich komplett, inklusive ihrer Sprachnachrichten, Gifs, Bilder, Videos und Dateien exportieren. Allerdings – und da liegt der Haken (oder sollte ich sagen, die blauen Doppelhäkchen?) – muss jeder Chat einzeln exportiert werden. Ich habe daraufhin gute 8h damit zugebracht, jeden einzelnen Chat, dem ich etwas Bedeutung zugewiesen hatte, zu exportieren.

Dazu geht man in den einzelnen Chat hinein und drückt auf die Profilinformationen des Chatpartners. Dort findet man auch die Einstellungen für diesen Chat. Ganz unten ist eine Schaltfläche namens „Chat Exportieren“. Je nach Umfang der Konversation sowie der gespeicherten Medien und Anzahl der Sprachnachrichten kann es zwischen 10 Sekunden und 8 Minuten dauern, bis die gesamte Unterhaltung in einer .zip zum Speichern bereitgestellt wird. Von hier kann die Datei - zumindest auf dem iPhone - direkt über Airdrop an einen Rechner geschickt werden, der es dann auf einer Backup-Platte sichert.

Ein insgesamt sehr mühsamer Prozess, aber lohnenswert, um all die Erinnerungen behalten zu können. Interessanter Fakt am Rande: Die Unterhaltung ist in einem .txt-Dokument gespeichert und Sprachnachrichten sowie Medien werden lediglich mit einer ID referenziert. Im Ordner des Chats sind dann alle Sprachnachrichten & Medien mit ihrer entsprechenden ID zu finden. Man hat zukünftig also keine schöne Unterhaltungsansicht, sondern muss die Teile selbst zusammenpuzzeln. Aber immerhin besser als gar kein Backup.

Das Löschen

Da es mir nicht nur darum ging, die App, sondern direkt mein ganzes Konto zu löschen, war es mit dem bloßen deinstallieren nicht getan. Stattdessen gibt es in den Einstellungen von WhatsApp die Möglichkeit, das Konto zu löschen. Der Prozess ist sehr einfach (nur ein paar mal auf Okay drücken), aber gruselig, da häufig wiederholt wird, dass nach dem löschen alles unwiederbringlich weg ist. Da habe ich schon noch einmal überlegt, ob ich das jetzt wirklich möchte. Schön fand ich, dass genau dargelegt wurde, welche Daten noch wie lang nach dem Löschen des Kontos vorgehalten werden und was wann automatisch gelöscht wird.

Und nachdem die App nur noch anzeigte, dass meine Telefonnummer noch nicht bei WhatsApp sei und ich mir ein neues Konto anlegen solle, wusste ich, dass es geschafft war. Die App wurde von Handy geschmissen und ich war frei.

Fazit

Ich habe WhatsApp seit dem Löschen nicht einen Tag vermisst. Das hätte ich nicht erwartet und es hat mich positiv überrascht. Tatsächlich sind viele meiner Kontakte nach und nach auch auf andere Messenger umgezogen, sodass ich die meisten Unterhaltungen nahtlos weiterführen konnte. Auch wenn ich rückblickend ein paar Kleinigkeiten anders gemacht hätte, sind die meisten meiner Befürchtungen nicht eingetreten:


Gruppen


Eine meiner größten Ängste war, ab sofort nicht mehr mitzubekommen, was in den verschiedenen Gruppen los ist. Um ehrlich zu sein, waren mir zum Zeitpunkt des Löschens nur noch 3 oder 4 Gruppen wirklich wichtig, aber in diesen werden (bis heute) Treffen kommuniziert und Aktionen geplant. Dazu gehörten auch studien- oder arbeitsrelevante sowie Freundesgruppen. Meine Angst, den Anschluss zu verlieren war anfangs wirklich groß.

Wie sich herausgestellt hat, ist das echte Leben doch gar nicht so mit WhatsApp verknüpft, wie man vielleicht denken mag: In jeder wichtigen Gruppe hat sich ganz automatisch jemand gefunden, der oder die mich mit ins Boot holt, wenn Treffen anstehen oder Planungsbedarf herrscht. Manche Gruppen sind auch komplett auf andere Messenger umgezogen, wofür ich bis heute dankbar bin.

Nun könnte man sagen, dass es Glück war, dass ich weiter involviert werde. Doch ist fraglich, ob man wirklich ein Teil von Gruppen sein möchte, die einen vergessen, nur weil man digital nicht dabei ist.

Ansonsten ist es ohne all die Gruppen tatsächlich sehr viel entspannter: Selbst wenn ich manchmal gern den neuesten Gossip und das letzte Drama gehört habe, gehen zeitfressende Gruppen-Sprachnachrichten, Dispute und Diskussionen an mir mittlerweile vorbei. Ehrlich gesagt, ich vermisse es nicht. Wie häufig kam es vor, dass ich früher nach 2 Stunden fokussierter Arbeit WhatsApp aufgemacht habe, nur um von 200+ neuen Nachrichten zu irgendeinem belanglosen Streit in einer Gruppe erschlagen zu werden? Das gehört der Vergangenheit an – was sich merklich positiv auf meine Laune ausgewirkt hat.

Ich habe außerdem die Erfahrung gemacht, dass die wirklich wichtigen Dinge auf anderem Wege zu mir finden: Meistens gibt es bei gravierenden Themen auch privat Redebedarf und wenn mir davon berichtet wird, kann ich das Ganze mit etwas Abstand betrachten, statt in der Gruppe in den Streit einbezogen zu werden.

Kurzum: Ohne Gruppen lebt es sich unbeschwerter und den Anschluss verliert man trotzdem nicht – oder zumindest nur da, wo es ohnehin nicht so wichtig war.

Kunden



Eigentlich war ich nie ein Fan davon, mit Kunden über WhatsApp oder Messenger im Allgemeinen zu kommunizieren: Da ich damals kein dediziertes Arbeitshandy hatte, wirkte es immer wie ein tiefer eingriff in mein Privatleben, wenn Kunden auf diese Weise Kontakt aufnahmen. Auch das gehört nun der Vergangenheit an. Vorbei sind die Zeiten, zu denen mich um 23:14 noch eine Nachricht mit dringendsten Änderungen bis morgen früh erreichte und ich meinen Schlaf für Dinge opferte, die auch 12 Stunden hätten warten können.

Zweimal ist es vorgekommen, dass Kunden sehr erbost darüber waren, mich nicht auf direktestem Wege und zu jeder Tages- und Nachtzeit kontaktieren zu können. Aber warum das nun wirklich nötig sein sollte, konnten sie mir auch nicht erklären. Heute bin ich zu meinen Geschäftszeiten per eMail erreichbar und nach Absprache auch telefonisch. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie viel Arbeits- und Lebensqualität diese Maßnahme für mich zurückerobert hat. Es ist wirklich schön, aufzuwachen und keine Befürchtung mehr haben zu müssen, mit total dringenden Kundenwünschen in den Tag geschickt zu werden.

Alte Chats / das Backup noch mal brauchen



Ich habe überschätzt, wie häufig ich in die alten Chats reinschauen würde. Ursprünglich war ich davon ausgegangen, dass ich bestimmt noch ein paar Monate immer mal wieder reinschauen müsste. 2 Tage nach dem Löschen war das letzte Mal, dass ich reingeschaut habe. Einen Monat später ist das gesamte Backup auf eine externe Festplatte ausgelagert worden und von meinem Rechner geflogen. Seitdem habe ich es nicht mehr gebraucht. Unerwartet, aber angenehm.

Was ich rückblickend anders machen würde

Es gibt einige Dinge, die ich aus heutiger Sicht anders handhaben würde, wenn ich noch mal aussteigen müsste:

1. Ich hätte mich in der Wahl der Alternativmessenger mehr einschränken sollen:



In meiner Abschiedsnachricht habe ich den Leuten mitgeteilt, dass sie mich ab sofort über Threema, Wire, Signal und Telegram erreichen könnten. Wire habe ich bereits nach wenigen Wochen wieder deinstalliert, da hier niemand war, dafür hat sich iMessage als Alternative bei vielen meiner Apple-User-Freunde etabliert (nicht optimal, aber besser als nichts). Über all diese Messenger führe ich nun Unterhaltungen mit verschiedenen Menschen. Das wird – ich höre mich da fast wie die Person aus Reaktion 2 an – auf Dauer sehr unübersichtlich und nervt.

Besonders aber nervt mich Telegram: An Features ist es kaum zu überbieten, doch den wenigsten „Normal“-Nutzern ist es wirklich wichtig, ob ein Chat nun verschlüsselt ist, oder nicht. Das ist insofern problematisch, als dass die Unterhaltungen bei Telegram von Haus aus nicht verschlüsselt sind. Da war selbst WhatsApp besser. Erst wenn man im Menü umständlich einen „privaten Chat“ eröffnet, ist die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei Telegram aktiviert. Und dann existieren plötzlich 2 Chats, von denen die meisten Menschen immer wieder den unverschlüsselten nehmen, da hier die Konversation begonnen wurde. Ganz zu schweigen davon, dass die verschlüsselten Chats nicht auf Zweitgeräten fortgeführt werden können.

Dass Telegram sicherheitstechnische Verfehlungen hat, war mir zum Zeitpunkt des WhatsApp-Löschens zwar klar, aber nicht in dieser Intensität. Ich nutzte Telegram damals bereits für manche Unterhaltungen, aber das waren alles Menschen, denen ihre Privatsphäre wichtig war und die auf Verschlüsselung achteten. Nun schreibe ich dort mit vielen Menschen, denen es egal ist. Ich wünschte, ich hätte Telegram von Anfang an ausgeschlossen. Denn nun stehe ich vor dem Dilemma, den ganzen Ausstiegsprozess noch einmal durchzumachen.

2. Ich würde es früher und anders ankündigen



Ich habe die Abschiedsnachricht eine Woche vor der Löschaktion herumgeschickt, um allen etwas Zeit zu geben. Heute würde ich dies vermutlich gut 3 Wochen vorher tun, die Kommunikation mit Kunden derweil per eMail erzwingen und anfangen, in Status und Profilbild anzukündigen, dass es diesen Account bald nicht mehr gibt.

Das hat den Grund, dass selbst bis in den Oktober 2021 hinein einige Menschen noch versucht haben, mit mir über WhatsApp zu schreiben und mich dann sehr böse angerufen haben, warum ich sie blockiert hätte. Ich hatte schlichtweg vergessen, ihnen meine Abschiedsnachricht zu schicken. Mit den oben genannten Maßnahmen hätte ich sie vermutlich ins Boot holen können.

Auch Kunden verwiesen noch bis in den Sommer gelegentlich auf Dinge, die sie mir einstmals auf WhatsApp geschickt hatten. Es war nie ein Problem, dass sie mir das noch einmal per Mail zukommen ließen, aber ein zusätzlicher und vermeidbarer Arbeitsschritt war es für beide Parteien trotzdem.

3. Ich würde schon viel, viel früher wechseln



Es mag heutzutage scheinen, als käme man um WhatsApp nicht herum und müsse als digitaler Almödi leben, wenn man dem entsagen entsagen will. Bevor ich letztes Jahr den Schritt gegangen bin, habe ich einige Jahre mit mir gehadert, ob ich es wirklich tun soll. Jetzt kann ich sagen: der Zugewinn an Freiheit und Lebensqualität war es allemal wert. Ich wünschte nur, ich hätte das schon viel früher erkannt.

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