Welches CMS für welchen Anwendungsfall?

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Jeder kennt WordPress. Aber macht es das auch zum perfekten Content-Management-System für jeden Anwendungsfall? In diesem Artikel stelle ich Dir verschiedene Alternativen vor, die in vielen Situationen einen besseren Job machen als WordPress.

Wenn ich heutzutage mit Kunden über das Content-Management-System ihrer Website spreche, fällt zunächst immer WordPress als starker Favorit. Und es macht Sinn: Jeder kennt WordPress oder kennt jemanden, der eine Seite mit WordPress am Laufen hat. Auch ich bin über WordPress zum Webdesign gekommen, habe gelernt, wie man Themes baut, Custom-Funktionen, Plug-ins usw. programmiert und das ehemalige Blogging-Tool in etwas viel Mächtigeres verwandelt. Doch macht das WordPress automatisch zur besten Option? Ich glaube nicht und stelle Dir hier deshalb ein paar Alternativen und die Einsatzzwecke, zu denen ich sie am sinnvollsten halte, vor.

1. Kirby CMS für maßgeschneiderte Projekte

Kirby CMS hat sich im letzten Jahr zu meinem absoluten Favoriten herauskristallisiert. Das CMS kommt ohne Datenbank aus und speichert sämtliche Inhalte in einfach (und anpassbar) strukturierten .txt-Dateien. Theoretisch kann man Kirby daher ohne Backend betreiben: Wer per FTP oder SFTP auf seinen Server kommt, kann für jede neue Seite einfach ein Verzeichnis kreieren und die entsprechende Textdatei darin ablegen. Genauso funktioniert es auch mit Bildern, Dateien und sonstigen Inhalten, die auf Deiner Website Platz finden sollen.

Da Kirby in PHP geschrieben ist, ist es ein Leichtes, das Frontend zu befüllen und selbst ausgeklügelte Layouts problemlos umzusetzen. Dabei ist es Kirby in erster Linie egal, ob es HTML, JSON oder sonstige Formate ausgibt – einer Web-App mit React, Angular, Vue oder Elm steht daher, genauso wie einer normalen HTML-Seite, nichts im Wege. Übrigens hat Kirby internes Routing, Multi-Language-Support (mit verschiedenen Domains und Subdomains je Sprache), Mail-Funktion und automatische Bildverarbeitung für Responsive-Sizes an Bord. Die sehr aktive Community, das große Sortiment an Plug-ins, eine nahezu lückenlose Dokumentation sowie diverse Schritt-für-Schritt-Beispiele sind zusätzlich ein großes Plus, das die Entwicklung zum Kinderspiel macht.

Natürlich sind die Anwendenden nicht darauf angewiesen, ständig Textfiles per FTP auf ihre Server zu laden: Kirby hat ein Backend, das mithilfe von YAML-Dateien erschaffen wird und somit komplett anpassbar ist. Beispiel: Du brauchst ein Zusatzfeld für den Namen des Haustiers eines Blog-Autors? Füge einfach

haustiername:
 type: text
 label: Name Deines Haustiers

in die sogenannte „Blueprint“ der Seite ein und das Feld steht im Backend (und dementsprechend auch Frontend) zur Verfügung. Hinzu kommt, dass das gesamte CMS mit selbst geschriebenen Plug-ins erweitert werden kann, falls die Bordmittel nicht reichen. Um Frontend-Plugins zu schreiben, reicht dabei ein rudimentäres Verständnis von PHP, fürs Backend braucht man zusätzlich etwas Kenntnis in Vue.js.

Kirby ist open source und eine Lizenz kostet knapp 100 €. Für Entwicklung und Testzwecke gibt es eine ewige, kostenlose und vollumfängliche Testphase. Ich kann Kirby nur wärmstens empfehlen!

Übrigens: Falls Du gerade anfängst, mit Kirby zu arbeiten, findest Du hier meinen Artikel über vier Code-Blöcke, die extrem nützlich sind.

2. Coast CMS für die statische „Visitenkarte im Netz“

Ja, eine Website ist das digitale Aushängeschild eines Unternehmens und sollte, wenn man den weisen Worten diverser Web-Gurus Glauben schenkt, mindestens mit E-Mail-Liste, Newsletter, Blog und Webshop ausgestattet sein, um überhaupt eine Daseinsberechtigung zu haben. Und dann gibt es Menschen und Betriebe, deren Einkommen nicht vom Internet abhängig ist und die schlicht nicht die (zeitlichen, monetären oder personellen) Ressourcen oder den Bedarf haben, sich mit Content-Kreation zu befassen. In diesen Fällen braucht es kein aufwendiges Backend mit Finetuning-Möglichkeiten en gros. Im Gegenteil: Ein einfacher WYSIWYG-Editor für eine gut gestaltete „One-Pager-Visitenkarte im Netz“ deckt alle Bedürfnisse ab.

Dafür ist Coast CMS wie geschaffen: Mit einfachen Klassennamen, wie editableoder content-section-wrap wird eine statische HTML5-Seite mit Inline-editierbaren Feldern ausgestattet, die über einen simplen Editor auf der Seite selbst bearbeitet werden können. Die Installation des CMS ist dabei auch denkbar einfach: Per FTP werden die Dateien auf den Server übertragen und sind ab dann einsatzbereit – no Database needed.

Der einzige Wermutstropfen ist, dass die letzte Aktualisierung des CMS Anfang 2018 erfolgt ist. Wer damit leben kann, bekommt eine simple, kostenlose (MIT lizensierte) und absolut ausreichende Lösung geboten, um statische Seiten mit gelegentlichen Content-Änderungen umzusetzen, ohne etwaige Kunden dafür in den HTML-Code schicken zu müssen.

3. WebEdition für extrem detaillierte Nutzerrechte und konsequente Datenstrukturen.

webEdition und mich verbindet eine innige Hassliebe. Das open Source CMS macht vieles richtig – aber dafür unnötig kompliziert. Dies liegt vor allem daran, dass WebEdition zwar in PHP geschrieben ist, aber sogenannte we:tags nutzt, die herkömmlichen PHP-Code mit HTML-ähnlicher Syntax austauschen. Das wäre an sich nicht schlimm, wenn es eine vernünftige Dokumentation gäbe. Die ist jedoch an vielen Stellen sehr rudimentär gehalten und man ist beim Entwickeln gezwungen, entweder per Trial-and-Error oder mittels einer langen Recherche in den webEdition-Foren zur Lösung zu kommen. Zugegeben, man könnte die we:tags auch mittels PHP umgehen, aber am Ende zahlt das nur wieder auf das vorwiegende Gefühl ein, das beim Programmieren mit webEdition vorherrscht: Alles ist ein einziger Workaround.

Dennoch hat das CMS auch seine Glanzseiten: Wer Erfahrung mit objektorientierter Programmierung hat und sich schon immer fragte, warum nicht auch der Content von Websites einfach ein Objekt sein kann, kommt hier auf seine Kosten. webEdition hat seine Wurzeln in einem Shopsystem (das nach wie vor per Modul zuschaltbar ist) mit einem Klassensystem für verschiedene Waren. Diese Klassen sind immer noch vorhanden und können – einmal definiert – im Backend instanziiert werden. So spricht nichts dagegen, für verschiedene Blogartikel-Arten verschiedene Klassen zu haben, aus denen dann die Content-Objekte erzeugt werden können. Die Daten werden in einer Datenbank gespeichert und sind vom Layout der Website sauber getrennt.

Außerdem überzeugt webEdition mit eingebautem Multi-Language-Support, Backup-Funktion, einem relativ intuitiven Menü-Builder sowie einer klaren Template-Content-Struktur, die Backend seitige Page-Builder ermöglicht. Der größte Vorteil dieses Content-Management-Systems ist aber ganz klar die ultra-kleinteilige Rechteverwaltung. Du möchtest, dass eine bestimmte Nutzergruppe lediglich auf den Blog sowie die Datenschutzseite Zugriff hat, Artikel anlegen, aber nicht veröffentlichen kann und zum Upload ausschließlich Bilder im .jpg-Format auswählen darf? Das ist problemlos einstellbar. Du möchtest, dass eine bestimmte Nutzerin aus dieser Gruppe ihren Username eigenständig ändern kann? Auch das ist problemlos einstellbar. Du möchtest einen Support-Account, der im Backend alles außer Content bearbeiten kann? Einstellbar! Die Rechtevergabe ist fast schon ZU kleinteilig. Doch das macht es möglich, Menschen ohne technischen Hintergrund auf das Backend loslassen zu können, ohne Angst haben zu müssen, dass irgendwer „das Internet löscht“.

Wer etwas Zeit in webEdition steckt, wird mit einem kostenlosen CMS belohnt, das den Anforderungen von Konzernen oder Krankenhäusern mit all ihren Stakeholdern gerecht wird. Wer darüber hinaus ein wenig Geld für die Mitgliedschaft im Entwicklerverein übrig hat, bekommt sogar eine Version ohne Footer-Watermark. Und wer dann noch die Nerven hat, das Content-Management-System in er tiefe zu durchdringen, bekommt erst graue Haare und dann absolute Glücksmomente.

Ich hoffe, der Artikel konnte Dir bei der Wahl des richtigen CMS helfen. Falls Du noch Fragen oder Anregungen hast, schreibe sie gern in die Kommentare. Ansonsten kann ich Dir noch meinen Newsletter ans Herz legen. Ich verschicke ihn nicht oft, aber wenn, dann lohnt er sich. :)

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